Sven Hanuschek


Do. 19. Mai 2011
20.00 Uhr
"Ein ungewöhnlicher Auftritt"

Sven Hanuschek (München)
spricht über sein jüngstes Buch
»Laurel & Hardy. Eine Revision«

Vortrag, Lesung und Diskussion


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Laurel und Hardy

Vom deutschen Filmmarkt als anspruchslose Massenware verkauft, in Fernsehserien wie "Väter der Klamotte" verhackstückt - noch immer gelten die Filme mit Stan Laurel und Oliver Hardy in Deutschland als bloße Blödelnummern zweier Klamaukbrüder, eben "Dick und Doof".

Zu Unrecht, sagt der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek in seinem Buch über die beiden Komiker und zeigt in seiner filmhistorischen Würdigung eine neue Sicht auf das Werk von zwei Meistern des Groteskfilms, das auch dem Blick von Philosophen und Kulturwissenschaftlern standhalten kann. Für Samuel Beckett etwa wären Laurel und Hardy die Idealbesetzung für sein Theaterstück »Warten auf Godot« gewesen. Nicht zuletzt ist das Buch eine Liebeserklärung an ein Duo, dessen Bild jeder vor Augen hat, wenn von Dick und Doof die Rede ist, von Stan & Ollie, El Gordo & El Flaco, Stanlio & Ollio, Crick & Crok, Flip & Flap, Dikke & Dunne, Chondros & Highos und wie sie noch über den ganzen Erdball hinweg genannt werden.

"Keine Abhandlung eines Filmwissenschaftlers wird geboten, sondern ein Essay über zwei Künstler, die uns befreien, uns überleben helfen, und uns nahegehen wie alle große Kunst".



Sven Hanuschek - Laurel & Hardy
Sven Hanuschek - Laurel & Hardy
Sven Hanuschek - Laurel & Hardy mit Filmausschnitt im Hintergrund
Sven Hanuschek und Mira Maase - Laurel & Hardy
Sven Hanuschek - Laurel & Hardy mit Filmausschnitt im Hintergrund

Aus der Einführung von Mira Maase:

Stellen Sie sich vor: Was wäre aus der "Hochzeit des Jahres" 2011 in der Londoner Westminster Abbey geworden, wenn Stan & Ollie als Trauzeugen mitgewirkt hätten? Das wenigste, was ihnen angetan worden wäre, wären wohl die Filmkritiken im Adenauerdeutschland der 50er Jahre gewesen.

Ich zitiere den "Evangelischen Film-Beobachter": "Ein Dick-und-Doof-Film wie alle anderen dieses Klamaukfilmbereichs. Etwas für Leute, die leicht und laut lachen." und "Üblicher Dick-und-Doof-Klamauk mit einigen Ansätzen zur Komik. Für Anspruchslose ab 10 möglich."

Das katholische Pendant, der "Katholische Filmdienst", schrieb damals: "Viele werden sich angesichts all dieser mehr oder weniger billigen Späße biegen vor Lachen, obwohl das Ganze trotz seiner faustdicken Situationskomik gar nicht so komisch ist. Eher traurig. Ein derartiges Gebräu aus Unsinn und Dekadenz dürfte selbst für robuste Naturen ungenießbar sein - wenn auch tolle Tricks und flotte Darstellung da und dort bestechen. Das Ganze ist eine Zumutung - für den guten Geschmack nämlich."

Aus Geschichtsbüchern wissen wir Heutigen ja noch, daß im Mittelalter das Lachen als Werk des Teufels galt, und wer damals nicht wie ein François Villon zu den Vogelfreien gehören wollte, mit Kirchenbann belegt und zu Höllenstrafen verdammt werden wollte, der mußte sich das Lachen krampfhaft verbeißen. Villon versuchte damals, sich zu helfen, indem er als Ausgestoßener im finsteren Wald die Zeile schrieb: "Gott ist auch unter Bäumen groß", wobei er teuflisch gelacht haben soll.

Laurel & Hardy, um die es heute abend gehen wird, sind sozusagen die zeitgenössischen Vettern im Geiste von Villon gewesen - nur daß sie im 20.Jahrhundert nicht mehr die Kirche verspotten mußten, sondern die Absurditäten des kleinbürgerlichen Lebens im Kapitalismus: eben das, was in dieser absurden Welt als Normalität gilt.

Das Subversive in der Komik, das ist der fremde oder verfremdende Blick, mit dem die als Dick und Doof verkleideten Lebenskünstler auf der Leinwand den sogenannten guten Geschmack mit zwerchfellerschütterndem Lachen unterlaufen. Daß sie darin natürlich heidnisch und nicht christlich motiviert sind, beweist ihre Legitimation durch den Rekurs auf das sogenannte Homerische Gelächter, mit dem der Göttervater Zeus den Olymp zum Wackeln brachte.

Der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek hat Komik definiert als "eine fundamental kritische, distanzierte Art, mit Welt umzugehen." Sein Buch über Laurel & Hardy revidiert jedenfalls den kleinbürgerlichen Blick auf zwei ernstzunehmende Künstler der Filmgeschichte - auch wenn der Pharisäer sich nicht gern in diesem Spiegel erkennen will.

Wir haben Sven Hanuschek, der an der Münchner Universität Professor für neuere deutsche Literatur ist, zuletzt in diesem Kulturzentrum mit seiner Biographie über Elias Canetti erlebt. Heute werden wir erleben, daß ihm sein Buch über Laurel & Hardy mindestens ebensoviel Vergnügen bereitet hat wie die genannte Canetti-Biographie.

Fotos: © Peter Worm

Do. 2. Februar 2006
20.00 Uhr
Sven Hanuschek spricht über
Elias Canetti.
Kulturkritiker, Weltbürger und Romancier

Lesung mit Autorengespräch


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Buchcover Sven Hanuschek »Elias Canetti« Als Elias Canetti (1905-1994) 1981 den Literaturnobelpreis erhielt, war er bereits 76 Jahre alt. Der einzelgängerische Autor von Büchern wie »Masse und Macht«, »Die Stimmen von Marrakesch« und »Die Blendung« wollte allerdings sein Bild für die Nachwelt selber bestimmen und verfügte in seinem Testament deshalb, daß zehn Jahre lang nach seinem Tod keine Biographie über ihn veröffentlicht werden dürfe. So ist Sven Hanuscheks großartige Biographie tatsächlich die erste, die über diesen Schriftsteller geschrieben werden konnte. Hanuschek, der als einer der ersten den umfangreichen Nachlaß von Canetti einsehen konnte, hält diese unveröffentlichten Aufzeichnungen für das eigentliche Hauptwerk von Elias Canetti, was er bei seiner Lesung verdeutlichen wird.

Sven Hanuschek, 1964 geboren, ist Publizist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er hat promoviert über Heinar Kipphardt und bereits über Erich Kästner eine vielbeachtete Biographie geschrieben.


Elias Canetti, Hanser Verlag
Veranstaltung Sven Hanuschek1, P. Worm Veranstaltung Sven Hanuschek2, P. Worm
Veranstaltungsfotos: © Peter Worm
Foto Canetti: © Hanser Verlag
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