Buchkritik zu Eugen Oker »Zahlbar nach dem Endsieg«

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DIE WOCHE, Regensburg, 2.1.1997
VON HARALD RAAB


Eugen Okers ganz private Kriegführung im Geist des Simplicissimus':
»Zahlbar nach dem Endsieg«

"Brouda, da Gräich!"

Es soll immer noch Leute geben, die den gebürtigen Oberpfälzer Eugen Oker für einen "griabigen" Heimatschriftsteller halten. Welch eine fatale Fehleinschätzung. Er gehört zu den besten Literaten, die Bayern zur Zeit aufzuweisen hat. Lesen Sie sein »Zahlbar nach dem Endsieg«, Erstauflage bei "Kuckuck & Straps ".

Zuerst muß man da wohl über das Organisatorische des Büchermachens reden. Eugen Oker ist schon lange im Geschäft, hat eine stattliche Werkliste vorzuweisen. Die meisten werden sich gern an Titel wie »Babba, sagt der Maxl...« (ausgezeichnet mit dem Astrid-Lindgren-Preis) oder »Winnetou in Bayern« erinnern. Oker ist ein phantasiereicher Geschichtenerfinder und Erzähler mit einer knappen aber wunderbar einfallsreichen Sprache. Bei ihm findet man auch bestätigt: Das Reale des Lebens ist tatsächlich das Phantastische, das Spannende, Aufregende.

Spannend und aufregend ist auch das Abenteuer des Autors im Dschungel der Verlagsinteressen. Er wird nach allen Regeln der Verwertbarkeit ausgepreßt wie eine Zitrone und dafür noch lausig entlohnt.

Eugen Oker hat auf seine unkonventionelle Art Konsequenzen daraus gezogen: Er verwertet seine schriftstellerische Arbeit nun weitgehend selbst und verzichtet dabei auf den Schnickschnack des Materialschönen beim Büchermachen. Zum ersten bringen Lesungen im Rundfunk einiges ein, zum anderen gibt er seine Bücher neuerdings in Miniauflagen zu 100 (!) Stück, dafür aber handsigniert heraus. Dazu hat er sich mit dem Alternativ-Buchmachern des Verlags mit dem irritierenden Namen "Kuckuck und Straps" liiert. Das Unternehmen wirbt mit dem umwerfenden Slogan: "Der Verlag mit den kleinsten Auflagen dieser Welt" Die numerierten und signierten Exemplare kann man auch über den Buchhandel beziehen oder direkt über "Kuckuck und Straps" Haldenbergerstraße 21, 80997 München-Hartmannshofen, Telefon: 089 / 1410487.

Für die Erstausgabe des Erinnerungs- und Bewältigungsbuchs »Zahlbar nach dem Endsieg« müssen Sie sich aber beeilen. Ich habe bereits die Nummer 60 von besagten 100 Exemplaren. Die Mühe des schnellen Kaufentschlusses lohnt sich, Preis: erschwingliche 38.- Mark.

"Brouda, da Gräich!" In der Oberpfalz kann man seit Generationen ein garstig Liedlein vom Krieg singen. Wer genug Überlebenswillen im Leib hat, bekriegt den Krieg der Großkopfeten auf seine Weise. Man kann sich ihm zwar nicht entziehen, aber man streitet mit List und wenn es sein muß auch mit Tücke, immer aber mit einer gehörigen Portion Lebensschlauheit, nur für einen Sieg: selbst mit heiler Haut davonzukommen: Die Rechnung wird nach dem Endsieg beglichen.

Eugen Oker hat da aus eigener Nahbesichtigung des fast schon historischen großen Abschlachtens vor 50 Jahren etwas beizusteuern – beileibe nicht nur die im Buch aufgenommene – Lichtbildchen als Beweis der eigenen Landserexistenz und obligates Liedgut, das in den diversen Feldzügen, vom Franzosen- bis zum Russenland, die deutschen Männer begleitet hat. Im Buch sind die Schnulzen sogar feinsäuberlich in Notenhöhe gesetzt. Und als letzter Beweis für Zeitzeugenschaft sind Kalendernotizen und Dokumente faksimiliert.

Darunter ist der nicht ganz legal entstandene Marschbefehl Richtung Heimat. Was zu beweisen war: Wäre es nach den Landsern gegangen, wäre der Krieg viel eher beendet gewesen.

Aus der Gefreitenperspektive ist ja schon öfter der Barras und der Krieg beschrieben worden, 08/15 meist und wie schön doch das Landserleben gewesen sei. Auch Eugen Oker erinnert sich mit ironischem Abstand, ob im Freßparadies Frankreich, inklusive Puffbesuche, oder in der Eiseskälte der russischen Untermenschen. Doch Kamerad Tod ist immer dabei. Er holt auch die unfreiwilligen Helden einer Vermessungseinheit zur Artillerieunterstützung.

Okers Ich-Erzähler aus dem Beobachtungswinkel des naiven Mitmarschierers merkt bald, wo's langgeht. In Italien '45 setzt er sich ab und schlägt sich durch, auch durch die Endzeithysterie der SS-Chargen und Parteibonzen in der Alpenfestung.

„Zahlbar nach dem Endsieg" ist die Sicht eines Oberpfälzer Simplicissimus wider den Mordsunsinn Krieg, der in der Erinnerung noch viel zu oft als privates Heldentum verklärt wird. - Nix Griabiges, Brouda!

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