Buchkritik Eugen Oker »Winnetou in Bayern«

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Münchner Merkur vom 15. Dezember 1997

Eugen Oker läßt Winnetou sprechen

Eugen Oker, mit bürgerlichem Namen Fritz Gebhardt, Jahrgang 1919, dem bajuwarischen Stamm der Oberpfälzer zugehörig, trägt bald schon vier Jahrzehnte lang die Feder eines Häuptlings der bajuwarischen Erzählkunst. Sein erstes Prosawerk war bereits in den letzten Kriegsjahren entstanden, ein erinnerungsträchtiger Schelmen-Roman aus der Lausbuben-Kindheit in Schwandorf. Titel: »Winnetou in Bayern«. Der gelernte Landvermesser arbeitete in der Nachkriegszeit als Maurer, wurde dann, wie der Vater, Ofensetzer-Meister, ehe er sich ganz der Schriftstellerei verschrieb. Erst 1961 fand sich ein Münchner Verlag, der »Winnetou in Bayern«, Lesespaß für erwachsene Kinder mit alter Karl-May-Anhänglichkeit, herausbrachte. In rascher Folge erschienen nun auch Kinderbücher (der Autor wurde mit dem Astrid-Lindgren-Preis ausgezeichnet), Mundart-Poesie, Romane, die Buchreihe »Bayern, wo's kaum einer kennt«, die auch im Fernsehen lief. Zum Spiele-Maestro stieg Oker im Bayerischen Rundfunk mit der langjährigen Serie "Leips" auf. Im reifen Alter gründete er gar noch seinen eigenen Verlag mit dem originellen Namen „Kuckuck & Straps" (80997 München, Haldenbergstraße 21).

Eine besondere Leidenschaft Okers gilt dem Leporello. So fotografierte er akribisch alle Paläste und Gebäude auf beiden Seiten des Canale Grande in Venedig und erstellte davon mit spitzer Tuschfeder auf zwei 34 Meter langen Papierbogen ein Kunstwerk in Buchform. Man würde sich eine solche Dokumentation auch von unserer Ludwigstraße wünschen.

Das Allerneueste, was es von Eugen Oker zu berichten gibt: Im Verlag des Zeitgenossen ist soeben die Hörbuch-Cassette »Winnetou in Bayern« (im Buchhandel für 30 DM zu beziehen) erschienen. Im Originalton Oker steigen Old Shatterhand, Winnetou, Old Firehand, der Große und der Kleine Bär aus den Seiten seines Erstlings und bringen eine Kleinstadt in Aufregung und ein paar zwielichtige Gestalten hinter Schloß und Riegel, zum hörbaren Vergnügen des Publikums.

Man erfährt im Gespräch mit dem Münchner Oberpfälzer, der in Hartmannshofen mit Squaw Maria einen Wigwam teilt, noch viel Wissenswertes aus seiner Schreibwerkstatt und von den ehemaligen Kleinstadt-Apachen aus den Zwanziger Jahren.

Herbert Schneider

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